Unter dem Titel „Verkehrsprognose 2040“ hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gestern (6. Februar 2025) in Bonn eine Bedarfsprognose für die Binnenschifffahrt vorgestellt, die in der Branche wenig Zustimmung findet. Aus diesem Grund trafen sich am gleichen Tag in etwa 100 Kilometer Entfernung zahlreiche Vertreter der Branche unter dem Motto „So machen wir Deutschland fit für die Zukunft“ im Duisburger Haniel Campus, um über den Verkehrsträger Wasserstraße als Treiber für wirtschaftliche Stärke und Standortattraktivität zu diskutieren. Im Rahmen der Veranstaltung „Wirtschaftsfaktor Wasserstraße Duisburg“ bemängelten die Teilnehmer unter anderem, dass die Vorstellungen des Bundes zentrale Herausforderungen und Potenziale des Systems Wasserstraße nicht ausreichend berücksichtigen und der Straßen- und Schienenverkehr im Modal Split bevorzugt werde.
Zudem unterstrichen die Experten, dass die derzeitige Bedarfsplanung zu sehr in alten Mustern und Betrachtungen zum aktuellen Gütermix verharre. In der Realität seien nicht zuletzt mit Blick auf die künftige Transformation der Wirtschaft und dem daraus erwachsenden Bedarf an erneuerbaren Energien die entworfenen Konzepte bereits viel weiter vorangeschritten. Der Hochlauf einer wasserstoffbasierten Wirtschaft sowie der parallele Abtransport von Kohlenstoffdioxidrückständen aus Fabriken in Offshore-Felder und die dafür entwickelten Schiffsdesigns stehen beispielhaft für die neuen Geschäftsmodelle der traditionsreichen, aber stets flexibel auf die Kundenbedürfnisse reagierenden Branche.
Binnenschiff ist wichtig für die Energiewende
Aus diesen Gründen betonte Duisport-CEO Markus Bangen: „Die Energiewende ist ohne die Binnenschifffahrt undenkbar. Wasserstoff wird in den nächsten Jahren zu einem maßgeblichen Teil in Form von Ammoniak transportiert werden. Unabhängig von möglichen Pipeline-Projekten ist hierfür das Binnenschiff das Transportmittel der Wahl. Auch die EU-Kommission hat die Bedeutung der Wasserstraße für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts längst erkannt und unterstützt zahlreiche Projekte mit Fördermitteln.“
Die aktuell vom Bund veröffentlichte Planung setzt auf einen Modal Split, der den Straßen- und Schienenverkehr bis 2040 deutlich bevorzugt. Steffen Bauer, CEO von HGK Shipping, kritisierte deshalb im Kontext der Studie: „Die aktuelle Planung des BMDV wird den realen Herausforderungen und Chancen der Energiewende nicht gerecht und bedarf einer methodischen Anpassung. Eine vorausschauende Bedarfsplanung muss die Lage ganzheitlich betrachten, um dem System Wasserstraße sowie dem Binnenschiff als nachhaltigem Verkehrsträger der Zukunft gerecht zu werden.“
Alleine die Unternehmen Duisport und HGK Shipping prognostizieren ein Transportvolumen von jährlich zwischen 20 und 25 Millionen Tonnen CO2 und Ammoniak auf der Wasserstraße. „Der Wohlstand unseres Landes erwächst vor allem aus einer Standortattraktivität für Industrie und Handel. Ohne eine funktionierende Logistik mit moderner Infrastruktur und einem smarten Modal Split ist das nicht machbar. Erst wenn die realen Entwicklungen am Markt und die Anforderungen der verladenden Wirtschaft verstanden und einbezogen sind, können die einzelnen Verkehrsträger ihren jeweiligen Stärken entsprechend entwickelt werden und somit maßgeblich zur Dekarbonisierung unserer hiesigen Wirtschaft beitragen“, führte Bauer weiter aus.
Auftakt zu einer Gesprächsreihe
Zu der Veranstaltung hatten Schmid Mobility Solutions in Kooperation mit der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort zahlreiche namhafte Redner von Thyssen-Krupp Steel Europe, BASF, Air Liquide, Currenta, Rhenus, Evonik Industries, Duisport und HGK Shipping sowie Gäste aus Industrie, Häfen, Reedereien und Logistikern eingeladen. Die Veranstaltung versteht sich als Auftakt einer Reihe von Gesprächen, die den Fokus verstärkt auf die Bedeutung der Binnenschifffahrt und die Systemrelevanz der Wasserstraßen für Industrie und Handel im Hafenhinterland, insbesondere am Rhein, sowie für die Energiewende lenken soll.