Mitentwickler des Ökolables d Dr. Thomas Kirschstein im Interview:
Herr Dr. Kirschstein, Sie haben kürzlich mit weiteren Wissenschaftlern/innen ein Öko-Label für den Güterverkehr entwickelt. Was ist das Besondere des vorgeschlagenen Labels und was hat den Anstoß dazu gegeben?
Kirschstein: Der Anstoß für den Start des Projekts war die Beobachtung, dass es im gewerblichen Güterverkehr schwer ist, die Nachhaltigkeit von Transportprozessen vergleichbar zu machen. Das hat insbesondere mit der Heterogenität der transportierten Güter und der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Transportketten zu tun. Dies ist auch die Besonderheit des vorgeschlagenen Label-Systems, das einen einheitlichen Bezugsrahmen und eine generische Kenngröße für die Nachhaltigkeit eines Transportprozesses vorschlägt. So kann auch die Ökoeffizienz des Transports einer Tonne Stahl mit dem Transport eines Kubikmeters Styropor verglichen werden.
An wen genau richtet sich das Label? Ist es eher als Entscheidungshilfe für Einkäufer bei Handelsketten, für Disponenten bei Logistikunternehmen oder für private Konsumenten/innen gedacht?
Kirschstein: Das Label-System ist als Vorschlag für gewerbliche Logistikdienstleister konzipiert, die damit sowohl ein Instrument für die Nachhaltigkeitskommunikation erhalten und auch in die Lage versetzt werden sollen, das System für planerische Zwecke einzusetzen.
Wenn man weiß, dass ein Binnenschiff pro transportierter Tonne weniger CO2 als ein Zug, ein LKW oder ein Flugzeug ausstößt, müsste es doch eigentlich genügen, anzugeben, welcher Verkehrsträger maßgeblich zum Einsatz kam. Welchen Zusatznutzen bietet demgegenüber Ihr Label?
Kirschstein: Nun, das Label ermöglicht es, auch multimodale Transportketten ganzheitlich abzubilden. Selbst bei überwiegender Nutzung eines umweltfreundlichen Verkehrsträgers bedeutet das nicht zwangsläufig auch einen insgesamt nachhaltigen Transport, sofern beispielsweise Vor- und Nachlauf ineffizient organisiert werden. Darüber hinaus bietet das Label die Möglichkeit, die Ökoeffizienz für heterogene Güter vergleichbar abzubilden und bezieht insbesondere auch die Auslastung als entscheidende Effizienzgröße mit ein. Weiterhin basiert das Label auf einer objektiven und generisch definierten Messgröße und ermöglicht damit zum Beispiel auch den Vergleich zwischen umweltfreundlich organisierten Transportketten.
Welche Lenkungswirkung würde das Öko-Label in einem Markt entfalten, in dem bislang vor allem die Transportkosten darüber entscheiden, ob Fracht per Schiff, LKW, Flugzeug oder Eisenbahn transportiert wird?
Kirschstein: Wir hoffen, dass durch die Nutzung des Labels eine größere Transparenz im Markt für Logistikdienstleistungen geschaffen werden kann, sodass Spediteure und andere Logistikdienstleister nachfragerseitig unter Druck geraten, die Ökoeffizienz ihrer Dienstleistungen zu steigern. So kann auch die Ökoeffizienz anhand eines einheitlichen Maßes traditionellen Zielgrößen wie Transportzeit und -kosten gegenübergestellt werden.
Dann wäre Ihr Label ein Stück weit auch ein Gradmesser dafür, ob die Preise die „ökologische Wahrheit“ sagen und die umweltschonendsten Verkehrsträger in ausreichendem Maße gefördert werden?
Kirschstein: Nun, das würde etwas zu weit gehen. Aber das Label würde zumindest dafür sorgen, dass Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft vergleichbare Informationen zur Ökoeffizienz von Logistikdienstleistungen erhalten und somit unter größeren Rechtfertigungsdruck geraten. Denkbar ist auch ein verpflichtendes Ökolabel einzuführen, was diese Lenkungseffekte sicher deutlich verstärken würde.
Welche Rückmeldungen haben Sie zu Ihrem Labelsystem bereits bekommen und wie geht es nun weiter mit Ihrer Entwicklung?
Kirschstein: Wir haben bis dato überwiegend positives Feedback aus der wissenschaftlichen Community erhalten und auch einige Presseanfragen. Als nächste Schritte streben wir eine Validierung und Erweiterung des Label-Systems an, zum Beispiel hinsichtlich Umschlagprozessen. Darüber hinaus wollen wir die planerischen Lenkungswirkungen eines solchen Ökolabels insbesondere bei der Planung intermodaler Transportketten näher untersuchen.
Der Erfolg von Häfen wird vielfach an der Menge des Umschlags gemessen. Dass diese als trimodale Logistikdrehscheiben in großem Stil CO2 einsparen helfen – etwa durch die Entlastung von Straßen und Autobahnen - gerät dabei leicht aus dem Blick. Scheint die Zeit gekommen, auch für diese Reduktionserfolge ein Messinstrument zu etablieren?
Kirschstein: Da ist sicher etwas dran. Allerdings ist das nicht mein Fachgebiet. Ich denke, die ein oder andere KollegIn aus den Verkehrswissenschaften hat bestimmt schon Ideen dazu
Herr Dr. Kirschstein, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führte Pascal Frai, Pressesprecher der Dortmunder Hafen AG.